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11.04.2020 11:38

Das Fernsehen in der Krise

Reaktivierung des Fernsehers in der Krise


Eben noch dachte ich der Fernseher wäre tot. Doch weit gefehlt. Die veraltete, lineare Fernsehmalerei, erwacht zu neuer Blüte und erreicht ein bisher recht freudig, fremdelndes Publikum. Die Jugend entdeckt das viereckige Fenster. Ein Projiziertes Bild aus Photonen, generiert durch Elektronen. Ohne die Möglichkeit der Kommentarfunktion, ohne die Möglichkeit der Auswahl. Ohne die geringste Variation. Es ist eben Linear.


Und wiso ist das so?


Die bessere Frage sollte lauten, weshalb rennen alle vor dem Fernseher weg?

Er hat nun über 100 Jahre lang, Wahrheiten von teils bizarrer Natur in Form von Biochemischen Materie Manifestationen in unsere Gehirne gebrannt. Wahrheiten aus denen wir dann Realität geformt haben. Tatsachen erschufen.


Die Antwort ist einfach.


Lineares Fernsehen, ohne die Möglichkeit des Eingriffs ist einfach langweilig! Im Vergleich zum nicht so linearen Netflix, Amazon, Twitch, Youtube, ist Fernsehen einfach etwas angerostet. Eine unappetitliche Patina von Einfältigkeit und schlichter Dramaturgie, haftet an ihm.


Doch da gibt es nun etwas, was dem Fernseher gerade eine neue Blütezeit beschert. Eine neue Wahrheit, die auch noch ausgesprochen unterhaltsam kommuniziert wird. Inklusive einer hervorragenden dramaturgischen Spannungskurve. Eine die sich auch nicht zu schade ist, abzuflachen, in Sicherheit zu wiegen, um dann wieder richtig anzuziehen.


Jawohl, die neue Wahrheit die da steht, lautet Corona!


Corona hat einfach alles was eine gute Geschichte braucht. Wenig repetitive Elemente, eine mitreißende, knallharte Dramaturgie mit der wissenschaftlichen Darstellung von Einzelschicksalen und natürlich glänzenden Darstellern.


Die Immersion mit der Wirklichkeit ist gelungen. Kaum noch jemand, der nicht fieberhaft auf den nächsten Unterhaltungswert wartet. Ergriffen ist von überarbeitetem Pflegepersonal und wütend sein darf auf Atemmasken mopsende Langfinger. Einfach herrlich. Es fließen Tränen, es darf nach Herzenslust gehasst werden. Das ist Spannung pur. Der Bösewicht wird regelmäßig in Szene gesetzt.


Ach, wenn dieser Tage jemand berührt ist und mit dem korrekten Schimmer des Glaubens in den Augen über Corona Philosophiert, dann würde ich ihm auch am liebsten von meiner neuen Lieblingsserie erzählen. Doch nein, lieber nicht.


Denn was Corona uns bringt, halte ich für eine gute Sache. Unserer Gesellschaft tut ein wenig schwarz weiß sehr gut. Ein wenig Erziehung für die Schäfchen ist mal wieder angebracht. Sie hatten lange genug Narrenfreiheit und konnten ihren Trieben und Affekten, stets folgen. Doch dabei haben sie die wertvollen Pflänzchen auf der Wiese ziemlich rücksichtslos zertreten. Nur um Gras, wiederkäuen zu können.


Es ist auch die Zeit, einige vollkommen verwilderte Hütehunde aus dem Spiel zu nehmen. Schäferhunde die einfach nur noch fett und faul in der Sonne liegen. Ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen oder ganz einfach den Blick für das Wesentliche verloren haben.


Natürlich ist das ein letztes Aufbäumen. Der Riese weigert sich zu sterben. Doch er wird untergehen. Das Fernsehen und der passive Konsum von Unterhaltungen, reicht zu vielen Menschen nicht mehr aus. Er kann eben nur noch dort begeister, wo eine Immersion durch eine packende Geschichte, erzeugt wird. Wenn die Automatisierung und das neue System, erst Eingezogen sind wird der Mensch sehr schnell bemerken, wie viel Unabhängigkeit ihm die Maschinen geben. Unabhängigkeit bedeutet allerdings auch Selbstverantwortung innerhalb des von uns erschaffenen Konstruktes. Ein angemessenes Handeln. Eben keine sofortige Befriedigung, jedes Affekts. Ein normaler Alltag mit den Maschinen, bedeutet den Menschen über die Maschinen zu stellen. Die neue Machtposition des Arbeiters, besteht darin in der Maschinensprache mit der Maschine zu kommunizieren und ihr etwas beizubringen. Jeder Der Macht bekommt, muss auch lernen mit Verantwortung um zu gehen.


Verantwortung bedeutet sich darüber im Klaren zu sein, die Konsequenz seiner Handlungen nicht nur zu erahnen, sondern sie auch willentlich in Kauf zu nehmen. So unter Umständen eben auch den Tot eines Menschen. Wo Sicherheit und Regeln den Fortschritt verhindern, müssen nun wieder Wagemut und Neugierde eingesetzt werden.


Menschen werden immer sterben, egal ob durch human Domestizierung, Maschinenrebellionen, eine Bordsteinkante, Altersschwäche. Bis wir nicht in der Lage sind, die Informationen in unserem Gehirn auf einen haltbareren Datenträger zu übertragen, werden wir auch sterben.


Doch unsere Werkzeuge sterben eben nicht so schnell wie wir es tun. Sie überdauern jeden Religionskrieg. Jeden Gott und jeden Glauben an die Wissenschaft. Der LKW wird nicht in Frage gestellt, er rollt sowohl hier als auch im nahen Osten. Und so muss es sein. Das Werkzeug ist die übergeordnete Sprache, der wir alle folgen. Niemand möchte die 10 Paletten Milch noch selbst tragen müssen. Niemand möchte die Karosserie eines Fahrzeugs mit der Hand galvanisieren.


Das wichtige an einem Werkzeug ist seine Funktionsfähigkeit.


Nicht jeder Mensch muss verstehen wie eine Zange funktioniert, wichtig ist doch nur das sie die Mutter Lösen kann. Manchmal bedarf es einer guten Geschichte um den Menschen die Furcht vor der Zange zu nehmen.