Kapitalismus und Corona – passt das noch?
Unsere Arbeitswelt hat unter dem Kapitalismus wahrlich seltsame Blüten getragen.
Eine dieser Auswüchse, mit der sich gewiss viele identifizieren können ist die sogenannte Reisebereitschaft.
Warum soll ein Klimatechniker aus Lüneburg nach Köln fahren um dort in einer Schule, Belüftungsschächte einzusetzen? In Köln wird es Klimatechniker geben, die diese Aufgabe ebenfalls erledigen können. Warum also einen Familienvater, die ganze Woche auf Montage schicken, weg von seinen Lieben, in eine Fremde Stadt in der ihm eigentlich auch alles ziemlich egal ist, weil er da höchstens einmal durchfährt und aus diesem Grunde auch keine nennenswerte Leistung erbringen möchte. Es interessiert ihn einfach nicht ob die Schächte in fünf Jahren eventuell wieder abfallen, denn seine eigenen Kinder werden gewiss nicht einmal in die Nähe dieser Schule geraten.
Zuhause bräuchte er nicht eine Woche in einem kleinen Hotelzimmer verbringen, sondern hätte noch etwas vom Rest seines Tages.
Warum werden Handwerker und andere Dienstleister, kreuz und quer durchs Land geschickt um irgendwelche Dinge zu erledigen. Es ist weder Effizient, noch Umweltschonend. Es ist weder Logisch noch Sinnvoll. Für 800 Kilometer Diesel verfahren, Mensch und Material von Lüneburg nach Köln bringen, ein Hotelzimmer anmieten.
Der Grund für dieses vollkommen unlogische Konstrukt ist die Vergabe von Aufträgen. Diese Werden öffentlich ausgeschrieben. Es ist ein gegenseitiges Unterbieten, so das am Ende die billigste Klitsche den Auftrag erhält. Sofern sie die Mindestanforderungen erfüllen kann. Wie zum Beispiel eine gewisse Mindesthöhe der Sozialabgaben.
Doch wie soll diese unlogische und nicht mehr zeitgemäße Form von Kapitalismus noch weiter betrieben werden? Wenn Menschen gezielt durchs ganze Land gesendet werden, bedeutet das eben auch sehr viel mehr Kontaktbereiche. Wo ein Örtlich ansässiger Bautrupp, seine Routinen und Einkaufswege hat, verfährt ein Fremder aus einem anderen Bundesland, der sich nicht auskennt, ganz anders. Es gibt viel mehr Kontaktherde. Er kauft ein wo er gerade sitzt und steht oder sein Hotel ansässig ist. Und nach getaner Arbeit, fährt er wieder nach hause und bringt jeden Kontakt hunderte von Kilometern weiter. Hält unterwegs hier an und dort an um etwas zu essen oder einem Bedürfnis nachzugehen. Eine Kontaktrückverfolgung ist zwar möglich, jedoch eben vollständiger Irrsinn, da jedes Kind sich vorstellen kann, wie viele Berührungen ein Gast Arbeiter pro Tag so hat.
Diesem Regelwerk wäre mit einem sehr einfachen und äußerst Wirkungsvollen Kunstgriff, seine Gefährlichkeit sofort genommen. Würden Auftraggeber gezwungen werden, Risikopauschalen an den Staat zu zahlen, wäre es mit dieser Politik sofort vorbei. Ein klare Kilometerregel. Je weiter der Firmensitz des beauftragten Unternehmens, entfernt liegt, desto höher die pandemische Risikopauschale um eventuelle Folgen eindämmen zu können. So würden unverzichtbare Spezialisten noch immer das tun können, was sie tun sollen. Alle anderen jedoch wären von einer großen Last befreit. Natürlich würde das den Hotelbetrieben vielerorts das Genick brechen, doch wir alle müssen für das neue Leitbild Corona, Opfer erbringen. Unterm Strich jedoch geht die Rechnung auf.
Ein Top Aktuelles Beispiel ist die Riesenbaustelle vor den Toren der Hauptstadt. Vor Berlin wird just in diesem Moment an der 64 Kilometer langen Autobahnbaustelle im „Past“ Verfahren gebaut. Past steht für das Pilotprojekt Prozesssicherer automatisierter Straßenbau. Die A10 vor Berlin wird mithilfe von automatisierten Großmaschinen vollständig neu gebaut und emens erweitert. Zudem greifend Umweltrelevante Aspekte wie die Umwandlung von Abraum in Lärmschutzdämme. Es gibt Wildbrücken und einen Nennenswerten Einsatz moderner Werkzeuge. Doch eben auch unglaublich viele Gastarbeiter aus allen Herren Ländern. Tausende von Arbeitern mit den verschiedensten Aufgaben, fahren dorthin um zu Flechten, zu Beschichten, zu setzten, zu mischen, zu bedienen und zu Planen. Und alle bringen nicht nur ihre Kontaktherde aus der Heimat mit, sondern nehmen auch die aus Berlin wieder zurück nach hause. Das absurdeste jedoch ist der Umkehrschluss. Denn Gleichzeitig werden Arbeiter aus Berlin und Umgebung, Richtung Kassel auf die 30 Kilometer lange Megabaustelle bei Northeim auf die A7 geschickt um dort das selbe zu machen wie ihre Kollegen aus Kassel und Hannover in Berlin. Dieses System ist nicht nur extrem Menschenverachtend, umweltbelastend und dumm es ist auch in Zeiten von Corona einfach nur noch gefährlich. Denn natürlich ist Berlin nun einer der Herbsthotspots geworden und all das Gerede und Gewese wird nichts daran ändern das die Baustellen laufen müssen und die Arbeiter gezwungen werden zu pendeln.
Wenn das System, ganz oben Fehler hat, kann man nicht ganz unten ansetzen und sagen „tragt eine Maske und alles wird gut.“ Nein dann muss man irgendwann oben ansetzen und Dinge korrigieren.
Manchmal kann ein wenig weniger Kapitalismus der Volksgesundheit und dem Fortschritt wohl zuträglich sein.